Reparieren auf marokkanisch

Nach 4000 gefahrenen Kilometern mit unserem VW LT 35 von Norddeutschland bis nach Portugal hatte ich das Gefühl, unsere Bremsen tun ihre Dienste nicht mehr so, wie sie es eigentlich sollten. Beim ersten in die Bremse treten liess die Bremskraft zu wünschen übrig, erst beim sofortigen Nachtreten entfaltete sich die gewünschte Wirkung. Eine Recherche brachte mich zu der Erkenntnis, dass es Luft in der Bremsleitung sei, die aber nur in einer genau einzuhaltenden Reihenfolge über verschiedene Entlüftungsventile ausgeführt werden müsse. Aber ich bin kein Selbstschrauber, deswegen musste ich eine Werkstatt aufsuchen.
Bei Vila do Bispo in der Algarve habe ich von jemanden gehört, die Werkstatt warte schon seit 3 Wochen auf ein Ersatzteil für seinen VW-Bus, denn er wolle nach Afrika fahren und vorher solle sein Bus in Ordnung sein. In diese Werkstatt bin ich natürlich nicht gefahren, denn obwohl es die einzige Werkstatt war, die von den überall anzutreffenden Campern empfohlen wurde, wollten wir nicht so lange warten, um über die Strasse von Gibraltar nach Marokko zu gelangen.
Auf dem Weg nach Algeciras war ich in Spanien in 4 Werkstätten, bis sich jemand meines Problems annahm, es hörte sich kompliziert an, denn „es könnnte der Bremskraftverstärker sein, oder etwas anderes in der Nähe der Räder und so müsste erst alles der Reihe nach ausgebaut werden, um den Fehler zu finden“. Ausserdem müssten wir mindestens 1 Tag auf dem Campingplatz ohne Auto übernachten, Taxifahrten zwischen Werkstatt und Campingplatz einplanen. Dank meiner guten Spanischkenntnisse fühlte ich mich in Spanien zwar sicherer als in Portugal und günstiger als in Deutschland wäre es auch allemal geworden.
Beinahe wären wir in die Werkstatt gefahren, aber am nächsten Tag fing es an zu regnen und die Vorstellung, auf 8 Quadratmetern zu fünft im Wohnwagen zusammengepfercht bei Regen zu verbringen, trieb uns mit reparaturbedürftigen Bremsen weiter auf den afrikanischen Kontinent, denn einige Marokko-Experten bei Facebook ermutigten mich, es dort in einer Werkstatt zu probieren.

Endlich Marokko

Dort angekommen, konnte ich mir zuallererst überhaupt nicht vorstellen, dass das Problem behoben und dann auch noch günstiger als in Deutschland wird.
Wir hatten Zwischenstopp im Norden in Asilah auf einem Campingplatz gemacht. Ich fand es recht teuer für einen unsauberen Platz ohne besonderen Komfort und desolaten Duschen. Wenn hier so Autos repariert werden, wie die Duschen aussehen, dann wundert es nicht, dass hier so viele Esel rumlaufen. Selbst das Waschen unserer Wäsche bei einer Reinigung hat in der unattraktiven Küstenstadt mehr gekostet, als der Self-Service in Portugal oder Spanien. Denn ich sollte anfangs jedes Teil einzeln bezahlen…
Deswegen hat es uns dort nicht lange gehalten und so sind wir weiter zu Freunden nach Tahanout gefahren, die eine Wohnung für einen Monat gemietet hatten. Denn für uns war klar, dass wir vom eigentlichen Marokko noch nichts zu sehen bekommen haben.
Eine Woche lang hatte ich mich nicht gewagt, das Problem der schlechten Bremsen in Angriff zu nehmen. Aber das tägliche, freundliche Entgegenkommen in der Nachbarschaft der Kleinstadt am Rande des Atlas kanpp eine Stunde von Marrakesch entfernt und das Drängen meiner Liebsten hatte mich dann doch ermutigt, den Sohn der Vermieter mit Namen Abdu anzusprechen, denn er war am Sonntag nachmittag zum Kaffee geladen.
Kurz vor dem Losgehen des sehr freundlichen und aufgeschlossenen Marokkaners fasste ich mir ein Herz und fragte, ob er eine Auto-Werkstatt empfehlen kann. Und er fing kurzerhand an zu telefonieren und sagte, wir könnten gleich losfahren.

In der Werkstatt

Autoreparatur auf Marokkanisch

Bei strömenden Regen und einbrechender Dunkelheit fuhren wir dann ein wenig an den Rand der Kleinstadt, wo wir uns zu einem weiteren wartenden Kunden dazugesellten.
Vor einer weit geöffneten Garage, die bis auf ein Teetablett auf dem Boden vollgestopft war mit Ersatzteilen, befand sich eine ölverschmierte Grube. Kein Hinweisschild, das hier Autos repariert werden, nur die Telefonnummer am Garagentor, falls der Meister nicht zu Hause ist. Nur eine einzige Glühlampe erleuchtete die „Werkstatt“ mit Ihrem Sammelsurium von Karosserieteilen, Keilriemen und Schraubenkisten.
Innerhalb kürzester Zeit kam ich an die Reihe und Abdu übersetzte die Symptome, die ich ihm auf Englisch erklärt hatte.
Schnurstracks und zielsicher machte sich der Mechaniker mit seinem ölverschmierten Gesicht an die Bremsleitungen, um mit nur einem Maulschlüssel das in dem Bremssystem angefallene Wasser hinauszubefördern. Zuerst vom Motorraum aus forderten harte Berberworte, dass ich die Bremse treten, halten und loslassen sollte. Abdu übersetzte zwar immer, hatte aber plötzlich das Teetablett in der Garage zur Seite geräumt und mit einem Teppich und einem Stück Pappe ersetzt. Für ihn war nun die Zeit zum Beten.
Wieder war ein helfender Einheimischer da, der meinen Platz auf dem Fahrersitz einnahm und die fordernden Worte des Berbers sofort verstand. Kaum war Abdu fertig mit seinem Gebet, schnappte sich der Mechaniker das Stück Pappe und legte sich darauf, um bei den hinteren Bremsventilen fortzufahren.
Bevor ich begriff, dass hier kein weiterer Termin nötig war, waren die Bremsen auch schon wieder in Ordnung. Meine Freude über die Handwerkskunst des Berbers wich sehr schnell der anfänglichen Skepsis.
Als ich den geforderten Preis bezahlt und obenauf noch Trinkgeld gegeben hatte und mit feuchten Augen meinen Dank zum Ausdruck gebracht hatte, erzählte ich Abdo von meinen Erfahrungen in Spanien und Portugal.

Ein Profi seines Fachs

Und er sagte mit tiefster Überzeugung: „He is a professional!“, was mir nun die Qualitätsarbeit auf dem Europäischen Kontinent in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Die Fotos sind dann bei einem zweiten Besuch enstanden, bei dem das Bugrad des Wohnwagens gerichtet wurde. Als Anerkennung für seine schnelle und unkomplizierte Hilfe schenkte ich Ihm meine Stirnlampe.
Welche Erfahrungen hast Du mit Reparaturen in Werkstätten ausserhalb Deutschlands gemacht? Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen!
Nachtrag:
Als wir Marokko wieder verlassen haben, ist das Problem nach und nach wieder aufgetreten. In der heimischen Werkstatt lautete die Diagnose: Bremsflüssigkeit zu alt, deswegen hat sie Wasser gezogen und schlechter gebremst. Kostenpunkt: 83,50 Euro.

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7 Antworten

  1. Harm Diesner sagt:

    Hallo,
    ich danke Di für den Bericht in Bezug auf marokkanische Werkstätten.
    Ich besitze einen Iveco 90-16, auf den ich im letzte Jahr ein Fachwerkhaus aus Holz gesetzt habe. Nun sind aber noch etliche andere Arbeiten, wie größere Tanks einbauen, Reserveradhalterungen, Dachträger bauen usw. fällig für meine in ein paar Jahren bevorstehende Weltreise zu erledigen und da hatte ich aus Kostengründen schon daran gedacht, ob ich diese Arbeiten nicht auch in Marokko günstiger ausführen lassen könnte. Du bestätigst wieder einmal meine Gedanken, deshalb meine Frage: Hast Du Adressen von Werkstätten in Maokko?
    Gruß Harm

    • MartinPi sagt:

      Hallo Harm,
      wie Du meinem Bericht entnehmen kannst, war ich bisher nur in einer Werkstatt in Marokko. Diese habe ich von einem Einheimischen empfohlen bekommen. Gerade weiter im Süden kannst Du viel gute Arbeit für Dein Geld bekommen. In jeder Stadt wird irgendwo auf der Strasse geschweißt. Nimm Kontakt zu Einheimischen auf und Sie werden Dir helfen! Es ist ein sehr gastfreundliches Land, an allen Ecken und Enden, wenn Du Dich nicht gerade in Marrakech oder Casablanca aufhältst.

  2. Christian Bachauer sagt:

    Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Werkstätten gemacht. In Zagora bei Ali Nasir habe ich mir zusätzliche Blattfedern bei meinem Wohnmobil einbauen lassen. Es wurde alles auf der Straße durchgeführt. Nach 4 Stunden war alles erledigt. Der Preis lag, wie vorher vereinbart, komplett bei 220 Euro. Der gleiche Einbau kostet bei uns etwa das Dreifache. Wir waren sehr zufrieden.

    • MartinPi sagt:

      Ich habe gehört, dass in Zagora die Rallye Paris-Dakar Halt gemacht hat und es deswegen viele gute Werkstätten dort geben soll.

  3. Sibylle Borsch sagt:

    Hallo ich brauche euren Rat Bitte. Ich wollte mit meinem alten VW t4 für ein halbes jahr nach marokko Reisen. Habe wegen einer Panne meine Fähre in genua versäumt…..die Werkstatt hier in Luzern / Schweiz sind noch auf Fehlersuche. Aber egal was rauskommt,ich kann mir keine reperatur in der Schweiz leisten.
    Meine Frage an euch:
    Ich hätte die Möglichkeit nach genua transportiert zu werden. Die FährGesellschaft gab mir die Auskunft das sie auch defekte Fahrzeuge transportieren.
    Ich würde meinen t4 gerne in tanger reparieren lassen.
    Kennt jemand eine Werkstatt in tanger?
    Hat jemand Erfahrung mit Werkstätten in tanger?
    Weiß jemand einen günstigen Abschleppdienst vom Hafen in die Stadt?

    Es ist, nachdem ich schon Monate mit Rucksack in marokko unterwegs war und ein halbes jahr dort gelebt habe, den sehr großen Wunsch mit meinem Bus durchs Land zu reisen.

    Ich hoffe sehr auf eure hilfe und euren Rat
    Liebe grüße Sibylle

    • MartinPi sagt:

      Liebe Sybille, tut mir leid, dass ich Dir nicht helfen kann, wir können keine Empfehlungen geben für Werkstätten in Tanger. Versuche es doch bei Facebook in den einschlägigen Gruppen. Viele Glück!

  1. 26. Februar 2017

    […] Zu guter Letzt haben wir in Tanahout auch unser Auto von einem berberischen Automechaniker reparieren lassen, aber dies ist eine andere Geschichte. […]

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