Slow Travel mit Kindern: ein kurzer Reisebericht von Norddeutschland bis an den Rand der Sahara

»Papa, wann sind wir endlich da?« Wer kennt ihn nicht, diesen Ausspruch von Kindern, denen auf langen Urlaubsfahrten langweilig wird und den Fahrer, allzu oft ausgesprochen, zur Weissglut bringen kann.
Aber es geht auch ohne: Nach knapp 6000 Kilometern und gut 100 Stunden Fahrtzeit haben wir ihn bisher nur ein einziges Mal gehört. Sicher gibt es für Slow Travel mit Kindern kein Patentrezept dafür, aber lest selbst, wie wir mit unseren drei Jungs im Alter von 5, 3 und 1 Jahr in Richtung Sahara aufgebrochen sind.

Als ich noch in Afrika war

Unser ältester Sohn malte mit drei Jahren ein Bild und erklärte danach: »Dies hier ist der Ofen, dies ist die Hütte mit einem Schornstein, und da kommt oben das Feuer raus.« »Ach, und wann war das denn?« war unsere Frage. »Als ich noch in Afrika war«, war seine überzeugende Antwort.
Ob man nun an Wiedergeburt glaubt oder nicht, wir haben ihn beim Wort genommen und es nicht einfach abgetan.

Seit zwei Jahren sprechen wir immer wieder davon, nach Afrika zu fahren und Anfang Januar war es nun so weit.
Die letzten Jahre sind wir im Winter immer vor der Kälte geflohen, denn wir tragen die Sonne nicht nur im Herzen, sondern mögen sie sehr gerne auch auf der Haut. Nachdem wir uns entschlossen hatten, nicht mehr mit dem Flugzeug dem kalten und dunklen Norddeutschland zu entfliehen, enwickelte sich daraus der Gedanke, wirklich einmal nach Afrika zu fahren.
Einen kleinen Wohnwagen hatten wir schon. Es ist ein liebevoll und detailverliebt ausgebauter Eigenbau von 1981 aus der DDR, der noch den Charme der 80er Jahre versprüht, aber nach der Wende eine Gasheizung, einen Gas-Herd erhalten hat und für Landstrom vorbereitet worden war.

Unsere Feuerwehr

Auf der Suche nach dem passenden Zugfahrzeug ist uns ein langer, knallroter VW LT 35 ins Auge gesprungen, ein ehemaliger Feuerwehreinsatzleitwagen mit Telefonzentrale, aber auch einer Dieselstandheizung, einer Markise und einer Bordbatterie.

Wir haben uns gleich in ihn verliebt und er war die perfekte Grundlage für unser Vorhaben. Mit wenig Kilometern, ausreichend Sitzplätzen und frischem TÜV hatten wir genug Raum für unsere kreativen Ideen.
Von den vorhandenen 9 Plätzen haben wir einen ausgebaut und die zwei gegenüber angeordneten Sitzbänke mit einem Tisch in der Mitte belassen.
Hinten ist dann ein Familienbett mit 2,20 Breite und 1,70 Länge entstanden, unter dem sich die Garage für unseren geliebten, faltbaren und geländegängigen Bollerwagen (Marke UlfBO), ein strombetriebener Kompressor-Kühlschrank und Platz für Lebensmittel und Werkzeug ist.

Neu dazugekommen sind ausserdem zwei Dachfenster, zwei Solarpaneele, ein Stromwandler von 12 auf 220 Volt, Vorhänge, Sitzbezüge, eine Deckenverkleidung, Kleidungsablagen, eine Kompost-Klobox, ein Internetrouter und eine Umkehrosmoseanlage.
So ist ein geräumiges, mobiles Heim mit nur 101 PS entstanden, dass mit wenig Verbrauch für den Alltagseinsatz taugt und trotzdem genügend Platz auch für die drei Patchworkkinder bietet, wenn sie zu Besuch sind.
Dann konnte es nach einem Jahr Warte- und Vorbereitungszeit losgehen!

Auf nach Afrika

Da wir beide freischaffend arbeiten, war es uns möglich, die drei Wintermonate Januar, Februar und März zum Reisen und Arbeiten zu nutzen. So haben wir uns dann ohne einen starren Plan, aber mit festem Ziel auf den Weg gemacht.
Die erste Woche sind wir fast täglich gefahren. Anfangs tagsüber, weil es draussen noch lange nicht warm genug war, um sich dort längere Zeit aufzuhalten.
Nach zwei Tagen fahren und einem Tag Pause bei Freunden im Herzen von Frankreich ging es über das Baskenland weiter in den Süden:
Ab Spanien haben wir tagsüber am Meer, an einem Stausee gespielt oder sind in einem Flussdelta in Lissabon spazieren gewesen.
Die für Kinder angelegten Spielplätze sind zwar ein großer Anziehungsmagnet, wenn wir auf der Autobahn unterwegs waren. Aber am schönsten war es immer ohne Spielgeräte, denn dort ist das Spiel unerschöpflich.

Wie zum Beispiel in einer nordspanischen Stadt an der Atlantikküste, wo die Jungs am Strand an einem Siel solange in Matschhosen gespielt haben, bis der kleinste ins Wasser gefallen war. Zum späten Nachmittag oder abends sind wir dann losgefahren und unsere Söhne sind meist im Kindersitz eingeschlafen. Nachdem wir spät in der Nacht einen Stellplatz gefunden hatten, haben wir sie einfach ins Bett gelegt. Am Morgen haben sie dann erstmal die Vorhänge beiseite geschoben, um zu sehen, wo wir denn wieder gelandet sind.

Langeweile war für sie ein Fremdwort. Wenn wir am Tag fahren mussten, haben die beiden größeren sich während der Fahrt liebend gerne mit Lego, malend oder mit ihren Ting-Büchern selbst beschäftigt. Ich vermute, das hat auch damit zu tun, dass sie nicht im Kindergarten sind und es gewohnt sind, sich selbst zu beschäftigen.

Aus eigenem Antrieb fanden sie auch während der Fahrt immer eine Spielidee, wenn als Ausgleich viel Bewegung an der frischen Luft möglich ist.

Im Kinderparadies

In der Algarve angekommen, haben wir uns ein Gemeinschaftsprojekt angeschaut und dort für knapp eine Woche einen traumhaften Stellplatz inmitten des wunderschönen Naturparks nutzen dürfen. Umsäumt und windgeschützt von Bäumen mit weitem Blick über die Berge standen wir an einem Feldweg, der ideal für uns alle war. Es gab genug Sand zum Buddeln, keinen Verkehr und wir konnten hier das erste Mal die Pullover ausziehen. Immer wieder sind nette Menschen vorbeigekommen, die auch den Jungs Aufmerksamkeit schenkten.
Unsere Lebensmittelvorräte waren gefüllt und es gab vor Ort eine Quelle, aus deren Wasser wir mit unserer Filteranlage sicheres Trinkwasser herstellen konnten.

Uns wurde klar, dass so unsere Lieblingsplätze aussehen werden:
• die Jungs können unbeaufsichtigt mit Sand oder im Wald in Sichtweite unseres mobilen Zuhauses spielen
• warm (keine Jacken) und trocken
• i-Tüpfelchen: andere Menschen, die uns Aufmerksamkeit schenken

Wenn unser Nachwuchs sich im Spiel vertiefte und er nicht zu hören war, waren wir sicher, wir hatten einen guten Stellplatz gefunden.
Nach diesen Kriterien haben wir dann in der folgenden Zeit immer wieder unsere Aufenthaltsorte gewählt und sind dort länger geblieben.
Mit Blick auf bevorstehenden Regen haben wir uns auf den Weg gemacht und erst angehalten, wenn es wieder wolkenfrei und warm war, oder der Fahrer nach Mitternacht Anzeichen von Müdigkeit erkennen liess.
An sogenannten Sehenswürdigkeiten sind wir vorbeigefahren, denn wir hatten unsere eigenen Kriterien, nach denen wir unsere Ausflugsziele ausgesucht haben……………………………………..

Afrika

In Marokko angekommen, mussten wir die erste Nacht im Hafen von Tanger Med verbringen. Uns fehlte die Haftpflichtversicherung und das Büro, welche diese ausstellen sollte, öffnete erst am nächsten Morgen.

Die zweite Nacht standen wir im kalten, diesigen, windigen, dreckigen und teuren Asilah an der Atlantikküste auf einem Campingplatz, denn zum Freistehen, war uns das Land noch zu fremd. Dort wären wir auch beinahe umgekehrt, denn wir hatten uns Afrika ganz anders vorgestellt.
Aber wir haben uns und dem Kontinent noch eine zweite Chance gegeben und wurden nicht enttäuscht.
Über Facebook ist uns schon auf dem Weg zur Fähre eine deutsche Familie aufgefallen, die eine Wohnung in der Nähe von Marrakesch gemietet hatte. Kinder zum Spielen, eine große Terrasse, das tiefere Eintauchen in die Kultur Marokkos und Eltern zum Austausch machten uns Mut, sich bei Ihnen zu melden.
Wir wurden herzlich willkommen geheissen und verbrachten dort zwei wunderschöne Wochen mit gemeinsamen Ausflügen, Kochen und Arbeiten.

Durch das Zusammentreffen mit Johanna und Christian vom Blog www.weltnah.com sind wir ermuntert und inspiriert worden, wie wir unser Projekt eines E-Books vermarkten können.

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Marokko ohne Touristen

 Die erste Nacht standen wir dort am Strassenrand mit einem wundervollen Blick auf den hohen Atlas, auf den wir beim morgendlichen Aufwachen schauen konnten. Doch schon am nächsten Tag kam die örtliche Aufsicht und sagte, wir könnten hier nicht stehen. Es sei viel zu unsicher und wir störten den Verkehr. Nach kurzer Aufregung stellte sich aber heraus, dass auf der anderen Seite des Blocks ein bewachter Parkplatz sei, an dem wir ohne Probleme stehen könnten. Mit Polizeieskorte wurden wir dann zu unserem »sicheren« Platz am Strassenrand begleitet, an dem uns allabendlich ein alter Mann begrüßte, der die ganze Nacht wachblieb, um auf uns und noch einige andere Autos aufzupassen.
Zwar hatten wir nun keinen Blick mehr ins Gebirge, aber wir konnten am Morgen unbeobachtet durch unsere verdunkelten Scheiben dem morgendlichen Treiben einer marokkanischen Kleinstadt zuschauen.

Es gab in Sichtweite eine Autowäsche, die auch Teppich reinigte, eine Polsterei, die auch Matratzen herstellte, einen Herren-Friseur, der immer gut besucht war und vier kleine Lebensmittel-Läden für Gemüse oder Trockenwaren, wo es auch Fladenbrot zu kaufen gab.
Wir liebten die kernlosen Oliven, die wir kiloweise verzehrten; haben salzige Zitronen probiert (ich habe mir die Herstellung ausführlich erklären lassen und ein großes Glas angesetzt, das allerdings erst in 6 Monaten fertig durchgezogen ist) und das feurige Harissa gab es aus einem 10-Liter Eimer lose zu kaufen.
Die freundlichen Ladenbesitzer schlossen wir in unser Herz und es war trotz der begrenzten Sprachmöglichkeiten klar, dass wir hier sehr willkommen waren.

Am Ende der Strasse befand sich die Moschee und hat uns fünfmal am Tag akustisch daran erinnert, dass wir in einem muslimischen Land sind. Das Ausrufen der Gebetszeiten durch das weithin hörbare »Allahu Akhbar« gehört hier genauso zum Alltag, wie vollverschleierte Frauen in Burkas.

Touristenburg

Wir hatten einen Ausflug nach Marrakesch gemacht, aber die sagenumwobene Stadt ist voll mit Touristen und Einheimischen, die Touristen ansprechen, um Ihnen einen Teil der marokkanischen Kultur zu verkaufen oder anderweitig zu helfen.

Dadurch wird die eigentliche Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit, wie wir sie in unserem touristenfreien Viertel erlebt haben, vollkommen verzerrt. Sie dient allein dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, die wir nicht brauchten oder von dessen Kauf wir abgehalten wurden, weil wir dazu gedrängt wurden, obwohl sogar Interesse bestünde.
Aber es war uns eine Lehre, die Schönheit des Landes und die Freundlichkeit Ihrer Menschen dort zu suchen, wo man sie nicht vermutet. Gemäss dem Slow-Travel Prinzip sind wir beim nächsten Ausflug einfach so lange gefahren, bis wir ein kleines, unspektakuläres Flussbett entdeckt hatten, um nach einer kurzen Wanderung einen herrlich entspannten Nachmittag zu verbringen.

Zu guter Letzt haben wir in Tanahout auch unser Auto von einem berberischen Automechaniker reparieren lassen, aber dies ist eine andere Geschichte.

Auch Campingplätze haben Ihren Reiz

Obwohl wir uns für das Freistehen eingerichtet haben und nicht auf Strom aus der Steckdose angewiesen sind, haben wir das Stehen auf dem Campingplatz zu schätzen gelernt.
Auf dem Weg nach M´Hamid, wo die ausgebaute Strasse im Nichts endet und wir vermuteten, dass dort die Sandwüste anfängt, haben wir einen Campingplatz inmitten einer Oase unter Palmen (Camping Oasis Palmier) empfohlen bekommen, der eine Erwähnung verdient.

Slow Travel mit KindernIn Zagora, einer Zwischenstation der Rallye Paris-Dakar, haben wir nicht nur die Annehmlichkeiten eines Begrüßungstees, einem schnell ausgebreiteten Teppich vor unseren Wagen und saubere Sanitäreinrichtungen genossen. Auch unser Nachwuchs ist mit seinen Rädern über den Platz gefegt. Sie haben sich mit anderen Reisenden angefreundet und beim Boule-Spielen überzeugt.
Am zweiten Abend auf dem Platz hatten wir das erste Mal eine vegane marokkanische Tajine gegessen, und uns das Rezept von der Köchin erklären lassen, um es zu Hause nachkochen zu können.
Ausserdem haben wir von Nachbarn den Wohnmobilführer Marokko von Erika Kohlbach und eine ADAC-Karte geschenkt bekommen. Unser nächstes Ziel hiess nun Merzouga, wo es einen Campingplatz gibt, der direkt am Rand der Wüste steht, den wir in M´Hamid nicht vorgefunden hätten.
Als sich beim Einbruch der Dunkelheit alle anderen für die Nacht eingerichtet hatten, haben wir uns fertig zur Abfahrt gemacht und sind wieder einmal in die Nacht hineingefahren.
Das ist nicht ganz ungefährlich, denn vereinzelt gibt es einige Radfahrer oder Mopeds, die im Dunkeln ohne Licht fahren. Auch einen vollkommen überladen Laster mit Strohballen hatten wir eine Zeitlang vor uns, der in jeder Kurve fast umzukippen drohte. Andererseits sieht man Schlaglöcher mit Scheinwerfer schon von weitem und kann rechtzeitig abbremsen. Wegen des geringeren Verkehrs kommt man deswegen trotzdem schneller voran.
Die Überland-Strassen haben uns positiv überrascht, obwohl es doch einige sehr holprige Strassen gibt. Diese sind aber meist im Bau und in naher Zukunft auch fertig.

Nach 250 Kilometern und 4 Stunden Fahrt haben wir uns dann einen Stellplatz ein wenig abseits der Landstrasse gesucht und sind unter atemberaubenden Sternenhimmel eingeschlafen.

Teil 2 folgt

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